Devendra Banhart © Ana Kras
An Devendra Banhart ist ein großer Comedian verloren gegangen, das ist sicher. Schon seine Mimik ist ein einziger Sketch: die grimassierenden Mundwinkel, die aufgerissenen Augen. Wenn er dann noch die Hände in die Luft wirft und mit schlenkernden Gliedmaßen über die Bühne springt, wähnt man sich eher in einem Varieté-Theater als im Saal des hübschen Hamburger Clubs Grünspan.
Der brasilianische Songwriter Rodrigo Amarante bestreitet das Vorprogramm mit sachte gezupftem Akustik-Bossa-Nova. Praktischerweise ist er zugleich auch Mitglied in Banharts Band.
Von LoFi-Folk bis Soul
Doch sein Chef, der in Texas geborene Banhart, beginnt zunächst solo akustisch, drei bis vier Stücke spielt er so, genau weiß das keiner, denn manchmal beginnt ein Song, bevor der erste geendet hat.
Dann kommt die vierköpfige Band dazu. Nach einem kurzen Intro spielen sie gleich den Song, der in einer gerechten Welt von jedem Radiosender rauf und runter gespielt werden würde: Für Hildegard von Bingen ist trotz des bizarren Titels ein wunderbar eingängiger Sommer-Popsong, der sich charmant bei Dylans All Along the Watchtower bedient. Immer wieder flackern solche Zitate in Banharts Musik auf. Sie lebt von all den Sounds, die die amerikanische Popmusik in den letzten 50 Jahren zu bieten hatte.
Während auf seinen Platten ein LoFi-Folk-Sound vorherrscht, bieten die Songs live mit Band deutlich mehr Stilvielfalt. Rock, Blues und sogar Soul beherrschen die fünf mit lässiger Selbstverständlichkeit und ab und an mogelt Banhart einige relaxte Latino-Rhythmen mit hinein, zu denen er Spanisch singt. Die Band spielt Chachacha, Walzer und auch Foxtrot, Tanzschuleninstrukteure hätten ihre helle Freude.
Ein Mann voller Wunder
Ein Lied nach einer deutschen Kirchenheiligen zu betiteln ist für Banhart nichts Ungewöhnliches. Er ist ein Mann voller Wunder und Merkwürdigkeiten. In Venezuela und Kalifornien von Hippie-Eltern großgezogen, die ihn nach einer indischen Gottheit benannten, schmiss er früh sein Kunststudium, um sich als Straßenmusiker durchzuschlagen. Er zeichnet seine Plattencover selbst und trug früher langen Rauschebart, riesige Ohrringe und Haare bis zum Hintern.
Jetzt, mit gestutztem Haarwuchs, sieht er mehr nach einem gewöhnlichen Berliner Hipster aus. Doch nichts läge Banhart ferner als solche Trends.
In seinen Texten singt er darüber, dass er gern ein Seepferdchen wär und sich langhaarige Kinder wünscht, und auch seine clowneske Gestik mag dazu verleiten, ihn als Musiker nicht ernst zu nehmen.
Doch im Gegensatz zu den Posen eines Adam Green, der musikalisch lange nichts Interessantes mehr vollbracht hat, ist Devendra Banharts Gehabe authentisch. Das Antlitz des Wahnsinns, das jeder große Künstler in sich trägt, blitzt auch bei ihm manchmal ganz kurz auf.
Doch Banhart weiß den Irrsinn zu zäumen, wirkt sympathisch und unglaublich entspannt, wie er da mal auf englisch, mal in falschem deutsch, mal in fließendem Spanisch mit der Latino-Fraktion im Publikum parliert.
Kurz vor Schluss, nach etwa 75 Minuten, gehen dann noch einmal die Pferde mit ihm durch: Er springt ins Publikum und gibt den Al-Green-Crooner. Doch wenige Minuten später ist alles wieder gut. Banhart taucht vor den Türen des Clubs auf und posiert bereitwillig für Fotos mit Fans. Ganz ohne Grimassen.