Wolfgang Niedecken trat mit BAP am 28. Mai in Mannheim auf.

Wolfgang Niedecken trat mit BAP am 28. Mai in Mannheim auf. © Gaudenz Danuser

Im ausverkauften Mannheimer Capitol wärmten sich BAP am 28. Mai 2013 für die Extratour ins benachbarte Ausland auf und bereiteten den heimischen Fans einen tollen Konzertabend.

Anders als die meisten Kapellen, die schon so lang dabei sind, machen BAP nach der Album/Tour-Routine nicht erst mal zwei Jahre Pause, bevor sie sich wieder treffen und die nächste Runde angehen. Seit fast zwanzig Jahren vergeht kein Jahr mehr ohne dass sie irgendwo auftreten. So bildet auch das Jahr 2013 keine Ausnahme.

Keine Pause, sondern "Extratour"

Eigentlich ist gerade Pause im Lager der Band. Wolfgang Niedecken hat ein Soloalbum aufgenommen, für das nächste Jahr ist eine unplugged-Tour und dann aber auch ein neues Studioalbum angekündigt. Und trotzdem gibt es eine "Extratour", die die Band primär ins angrenzende Ausland führt.

Weil Niedecken nun aber einer ist, der – bevor eine Tour beginnt – gern unter Livebedingungen ausprobiert, ob das Set funktioniert, gibt es immer sogenannte "Warm-up"-Konzerte. Dieser Abend in Mannheim ist da nicht Fisch, nicht Fleisch. Einerseits ist es ein Warm-up-Konzert, bevor es nach Österreich geht, anderseits wurde der Termin offen als Teil der Tour angekündigt.

Das Mekka der "Unheilbaren"

Die Location, das Mannheimer Capitol, ist Niedecken gut bekannt und in Erinnerung geblieben. So wurde der Abend zum Mekka der "Unheilbaren", wie die Gruppe der die-hard-Fans BAP-intern genannt wird, die so ziemlich alle Gigs der Band mitnehmen, die sie halbwegs gut erreichen können.

In den ersten Reihen finden sich viele Gesichter, die auch sonst immer da sind. Man kennt sich, man grüßt sich und stellt fest, dass es tatsächlich ein dreiviertel Jahr ist, seit die Band zuletzt aufgespielt hat. Was nicht ganz zutreffend ist, denn am Abend vor dem Mannheimer Gig gab es eine Probe mit Publikum auf dem Weingut Stein in Alf an der Mosel, wo BAP bzw. Niedecken gern mal im intimen Kreis spielen.

So gesehen gab es einen Warm-up zum Warm-up, der eigentlich schon Teil der Tour war. Alles klar? Dann widmen wir uns dem Auftritt im Capitol.

Niedecken in stimmlicher Hochform

Die Domglocken aus Köln läuten seit zwei Jahren die BAP-Konzerte ein. Irgendwann kommt die Band vielleicht noch mal auf die Idee, dass es cool wäre mit einer eingekölschten Version von "Hells Bells" das Konzert zu beginnen. Heute ist es der Titelsong des letzten Albums Halv su wild, der den Auftakt für ein rund 165-minütiges Konzert geben wird.

Niedecken verpasst den Einsatz in den ruhigen Teil des Songs und ist bei den ersten zwei Nummern noch sehr entspannt/zurückhaltend, gibt diese Zurückhaltung dann aber spätestens bei dem dritten Lied Diss Naach ess alles drin auf und bietet dann für den Rest des Konzerts eine Gesangsperformance, die man von ihm lang nicht – und vor allem so nicht – gehört hat.

Viele bluesige Phrasierungen schmücken die Strophenmelodien aus. Da, wo man gut hoch gehen kann, geht er hoch und macht das sehr gut. Ihn an diesem Abend singen zu hören ist ein Vergnügen, das auf den letzten Tourneen so nicht zu erfahren war. Hoffentlich hält er das für die Tour durch!

Die Band, die nun auch schon seit 14 Jahren zusammen spielt, verfügt über eine komfortable Sicherheit in den Arrangements und in der Kommunikation, wie diese im Moment gelenkt werden. Der Soundmix ist gut, wie immer wenn die Band mit relativ kleinem Besteck unterwegs ist, wie auf dieser Tour.

Angenehm ist außerdem, dass Niedecken nicht wieder die gleichen Ansagen macht, wie bei den Konzerten der letzten zwei Jahre in Folge des Halv su wild-Albums. Viel vom Charme eines BAP-Konzertes entsteht durch die Ansagen von Wolfgang und wenn diese zu stereotyp oder einstudiert daher kommen, wirkt das schal. So hat man zu Beginn der Tour noch die Spontanität des Augenblicks gepaart mit dem, was sich der Vorsprecher im Vorwege überlegt hat.

BAPs musikalische Gäste

Das Set ist eine gelungene Mischung aus Material der letzten Alben und der Klassiker, von denen einige zuletzt auf der "Greatest Hits"-Tour vor 6 Jahren gespielt wurden. Stammgast Anne de Wolff veredelt knapp die Hälfte der Songs mit ihren Geigen, Percussion und Harmoniegesang.

Auch wenn sie jetzt auch schon seit 2006 regelmäßig dabei ist, macht sich mit ihrem Auftritt noch immer eine Veränderung der Stimmung auf der Bühne bemerkbar. Auf einmal ist da nicht mehr diese Männertruppe unter sich, es hat den Anschein, dass alle vor der hübschen Blondine eine gute Figur abgeben wollen – kein plumpes Gegockel, aber ein leichtes Knistern herrscht auf der Bühne und gibt den Konzerten von BAP mit Anne eine besondere Note.

Als weiterer Gast kommt bei Leopaardefellhoot eine Kurpfälzer Legende dazu: Olli Roth singt auf Englisch den Originaltext von Dylan im Wechsel mit Niedeckens kölschen Versen. Nachdem die Stimmung an dieser Stelle voll auf Partyniveau ist, kündigt Wolfgang einen harten aber notwendigen Bruch an.

Noh Gulu, das Lied über die Bürgerkriegskinder in Uganda, ist nicht nur einer der intensivesten musikalischen Momente des Abends, sondern richtet den Fokus auch auf die immer noch großen Probleme auf diesem Kontinent. Das sich unmittelbar anschließende Amerika passt perfekt und schlägt den Bogen zu dem Kriegsende, das Deutschland nun schon vor fast 70 Jahren erleben durfte. Auch hat die Band das Problem des fehlenden Saxophons durch ein geschmackvolles Orgelsolo von Michael Nass elegant gelöst, so dass der Song auch musikalisch vollends überzeugt.

Nur ein kurzer Showstopper

Ein weiterer persönlicher Moment entsteht durch Niedeckens Ansage zu dem Song Krohn oder Turban, wobei er all denen dankt, die ihn nach seinem Schlaganfall durch ihre Anteilnahme unterstützt haben. Leider ist der relativ unspektakuläre Midtempo-Song an dieser Stelle eher ein Showstopper. Unmittelbar danach kann man erleben, wie gut doch der große Hit Verdamp lang her gealtert ist und welchen Zauber der Wechsel der persönlichen Strophenworte mit dem Mitsing-Refrain noch immer verströmt.

Dass BAP mit Zugaben nicht geizen, hat sich auch nach dem Schlaganfall von Niedecken nicht geändert, wobei die 3-Stunden-Marke aber nicht mehr als Standard gilt. Insbesondere mit den letzten beiden Liedern Do kanns zaubre (mit Wunderkerzen/Feuerzeugen fast wie früher illuminiert) und Jraaduss (mit wunderbarem Gitarren/Geigensolo am Ende) sorgt die Band für glückliche Gesichter im ausverkauften Capitol.

Österreich, die Schweiz, Belgien und Luxemburg können sich auf schöne Konzerte freuen und wir erwarten mit Spannung die Unplugged-Tour im kommenden Jahr.

BAP, 28. Mai 2013, Mannheim – Setlist:

Halv su wild | Et ess wie’t ess | Diss Naach ess alles drinn | Et Leeve ess en Autobahn | Nix wie bessher | Woröm dunn ich mir dat ahn? | Enn Dreidüüvelsname | Ne schöne Jrooss | Rita, mir zwei | Verjess Babylon | Wellenreiter | Leopardefellhoot | Noh Gulu | Amerika | Chlodwigplatz/Stell dir vürr | Unger Kranebäume | Kron oder Turban | Verdamp lang her | Alexandra, nit nur do

Diego Paz wohr nüngzehn | Kristallnaach | Arsch huh, Zäng usseinander | Aff un zo | Do kanns zaubre | Jraaduss

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