Mumford & Sons, die auf ihren zwei veröffentlichten Alben "Sigh No More" und "Babel" von Liebe, Glaube, Hoffnung und Sünden singen, hatten nicht nur eine, sondern zwei Vorbands im Programm.

Jesse Quin, eigentlich Bassist der britischen Band Keane, lieferte auf der Bühne ganz alleine einen halbstündigen Gitarren-Gesang-Einheitsbrei ab, bis Marcus Mumford dazu kam, um ihn für die letzten zwei Songs beim Spielen zu unterstützen. Im Anschluss kam dann der Schocker aus Kalifornien: Deap Vally. Kennt ihr nicht? Wir auch noch nicht, aber hier folgt eine kurze Beschreibung:

Deap Vally – ein Schocker

Die Zwei wirkten in Klang und Aussehen so, als hätte The Kills-Frontfrau Alison Mosshart mit Jack White zwei Töchter gezeugt, die zu ihrem Achtzehnten mit Kill Bill-Darstellerin Uma Thurman ein paar Flaschen Tequila gekippt hätten, und danach mit Tarantino, Scorsese und David Lynch persönlich den Mullholland Drive entlang bis nach München ins Zenith gebraust wären.

Während die leichtbekleidete blonde E-Gitarrenspielerin den brachialsten Sound aller Zeiten fabrizierte, konnte man bei der Schlagzeugerin nicht sicher sein, an welche vergangenen Orgien sie bei ihrem ekstatischen Spielen dachte... 

Am Sound war nichts auszusetzen, nur der Menge gefiel das alles eher weniger, hatte man sich doch auf religiös-angehauchte Texte und Banjo-Spieler eingestellt... So erklangen dann auch vereinzelte Buhrufe, und "Das ist eine Frechheit"-Äußerungen, von denen sich die zwei Hardrockerinnen aus Los Angeles wenig beeindrucken ließen und ganze weitere 45 Minuten die Rockschiene durchhämmerten. 

Vermutlich saß Marcus Mumford derweil im Backstageraum und lächelte sich ins Pfarrerssohn-Fäustchen. Eine große Portion Humor und Mut haben die Jungs jedenfalls.

Kein Style?

Warum wählten Mumford & Sons ein solches Kontrastprogramm als Vorband? Womöglich gefällt ihnen einfach die Band? Aber es musste ihnen doch klar sein, dass sie bei ihrem Publikum damit eher für Unmut sorgen würden. Wollten sie Menschen wie Liam Gallagher den Mittelfinger zeigen?

Dieser hatte sich mal wieder durch Pöbeln bemerkbar gemacht: die Band sei alles andere als sexy, die Jungs sähen aus, als würden sie bei Oxfam shoppen gehen und mit ihren hochgekrempelten Ärmeln Linsensuppe fressen. Überhaupt hätten sie zu viel Akustik-Gitarren und keinen Style.

Wollten es Mumford & Sons jenen Engländern zeigen, die ihnen übel nehmen, dass Marcus Mumford und Keyboarder Ben Lovett renommierte Privatschulen in London besucht haben und behaupten, dass die "posh boy Band" eher konformistisch sei und eher weniger authentischen Folk-Rock produzieren würde? Das Publikum jedenfalls schien verblüfft.

Interessant und folgerichtig wäre es gewesen, wenn das Kontrastprogramm, Rockröhre folgt auf einsamem Gitarrenspieler, sich vereint hätte zu einem wahren und fabelhaften Folk-Rock-Konzert. Dem war aber nicht so.

Glattgebügeltes Pop-Konzert

Live mutieren die Songs von "Sigh No More" und "Babel" in ein glattgebügeltes Pop-Konzert. An sich kein Problem, denn den Leuten hat’s der ausgelassenen Stimmung nach zu urteilen äußerst gut gefallen und das ist ja das Wichtigste.

Aber Journalisten, die über ein solches Konzert weiterhin von Mumford & Sons als einem "Folk-Rock-Revival" schreiben, sollten sich in die Musikredaktionsecke stellen und schämen. Ein Banjo und Gitarren im Programm ist eben nicht gleich Folk-Rock. Dazu gehören mindestens noch starke Texte, vielleicht eine Portion Gesellschaftskritik und Live-Emotionen, die auf mehr basieren als auf einem bis zum Anschlag aufgedrehten Lautstärkeregler.

Mumford & Sons sind live extrem laut. Aber niemals lauter als ihre 6000 Fans, die von Anfang bis Ende buchstäblich jede einzelne Textzeile lauthals mitsangen. Entwickelt sich gewöhnlich bei Konzerten das Mitsingen an markanten Stellen, ging es bei Mumford & Sons von Beginn an mit den beiden Energiespritzen "Babel" und "I Will Wait" gemeinsam mit der Halle textstark los.

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Die Fans kamen auf ihre Kosten

Ein wenig erinnerte es an die moderne, amerikanische Pfingstbewegung, als so viele Menschen zusammen in der Halle mit hochgestreckten Händen und unter Klatschen "awake my soul" oder "lord forget about my sins" mitsangen, während der Pfarrersohn das Publikum dazu auf der Gitarre begleitete. Insgesamt kamen die Fans auf ihre Kosten und es wurden viele Songs vom alten als auch vom aktuellen Album gespielt.

Die im Kern interessante Zusammenstellung von Trompete, Violine, Mandoline, Gitarre, Kontrabass und Banjo kam nicht so sehr zur Geltung – eine stärkere Fokussierung auf einzelne Instrumente hätte zwischendurch ganz gut getan und für mehr musikalische Abwechslung gesorgt. Insgesamt wirkte das Konzert trotz der auch langsameren Songs zu einheitlich, zu hektisch und zu laut.

Diese Band hat ein Luxus-Problem: zu schnell zu viel Erfolg

Hatten Mumford & Sons bei ihrem letzten Auftritt in München noch im dem kleinen Atomic Café gespielt, war ihr erster vorgezogener Gig für 2013 in Deutschland im 6000 Menschen fassenden Zenith innerhalb kürzester Zeit ausverkauft, letzte Karten wurden im Internet für über 120 Euro angeboten.

2007 hatten ein paar Musiker, darunter Marcus Mumford und Ben Lovett, angefangen in Londoner Clubs zu spielen, unter anderem mit Noah and The Whale. Marcus Mumford begleitete die Frontfrau Laura Marling als Schlagzeuger und war auch mit der Sängerin liiert. Noch ohne eine Platte veröffentlicht zu haben, wurden Mumford&Sons 2008 dazu eingeladen auf dem legendären Glastonbury Festival zu spielen.

Ihre erste Platte "Sigh No More" (2009) wurde ein viel gefeiertes Debüt. Der Nachfolger "Babel" entwickelte sich sogar in den USA zum absoluten Verkaufsschlager. Im Jahr 2012 waren sechs ihrer Songs in den Billboard Hot 100 vertreten – ein Coup, der bis jetzt nur den Beatles gelungen war.

Eine schwierige Umstellung

Im Februar dieses Jahres erhielt die Band um Marcus Mumford, der mittlerweile mit Hollywood-Schauspielerin Carey Mulligan verheiratet ist, für "Babel" den Grammy für die beste Platte des Jahres. Nun müssen sie sozusagen in großen Hallen spielen.

Dafür muss sich die Band umstellen und nach ihren eigenen Aussagen passt ihnen das selbst nicht so ganz: die vielen Gigs würden sich dann manchmal wie Handwerk anfühlen. Auf der anderen Seite fänden sie es unfair, in kleinen Clubs zu spielen, wenn die Nachfrage nach ihren Konzerten so groß ist.

Bleibt die Frage, in welche Richtung sich diese Band jetzt entwickeln wird. Vielleicht spielen Mumford & Sons ja mit ihrem dritten Album auf dem Oktoberfest – funktionieren würde es. Aber was die musikalische Qualität angeht, wäre endgültig Hopfen und Malz verloren.

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