Radiohead

Radiohead © 2012, Beggars

Vor mehreren tausend jubelnden Zuschauern in der nicht ausverkauften Lanxess-Arena boten Radiohead am 15. Oktober eine mitreißende und überwältigende Show, die ebenso sehr von ihren genialen Songs wie von der perfekten Inszenierung ihrer Musik lebte.

Vor dem Konzertbesuch haben Radiohead eine Personenkontrolle gesetzt, die strenger ist als beim Besuch des Weißen Hauses (jedenfalls vor 9/11). Alle Besucher müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt ihren Personalausweis vorzeigen. Manche, die ihr Ticket am Radiohead-eigenen W.A.S.T.E.-Schalter abholen, werden dazu genötigt, sich die dazugehörigen Bändchen vor den Augen des Kontrollpersonals anzulegen. Erst danach werden ihnen die Tickets ausgehändigt. Für die entstehenden Problemfälle muss ein extra-Container für das "Troubleshooting" eingerichtet werden. Meine Güte.

Wie man Besuchern Steine in den Weg legt

Man kann die Motivation der Band verstehen, den Weiterverkauf von Tickets zu unterbinden, aber die ergriffenen Maßnahmen sind trotzdem ärgerlich. Die Organisation funktioniert zwar gut, aber wieso kümmert es eine Band, wenn ihre sowieso schon teuren Tickets weiterverkauft oder weitergegeben werden, zumal das Konzert nicht ausverkauft ist? Ist es wirklich nötig, einem Besucher, der auf normalem Weg Tickets gekauft hat, sechs Emails mit immer neuen Informationen zu schicken?

Nach dem Einlass treten solche Gedanken in den Hintergrund, schließlich sind alle gekommen, um die große englische Indie-Band zu erleben. Manche Besucher haben dafür weite Wege zurückgelegt: Man trifft Briten, Franzosen, Belgier, sogar Russen und natürlich auch Holländer.

Perfekte Inszenierung

Alle sind hellwach, als es endlich losgeht. Bloom ist typischerweise noch etwas lahm, aber schon mit Lucky hat die Band die Halle vollständig auf ihrer Seite. Kein Wunder: Die Musik lebt nicht nur von den zahlreichen, großartigen Songs, sondern auch von dem höllenmäßigen Groove, der die Performance trägt. Teilweise arbeiten vier Perkussionisten (darunter zwei Drummer) gleichzeitig auf der Bühne. Natürlich gibt es auch ruhige Momente, wie beispielsweise Reckoner oder Nude, aber überwiegend ist die Show mitreißend laut, perfekt gespielt und inszeniert.

Zur Inszenierung muss man wissen, dass neben stationären Bildschirmen hoch über der Bühne auch mobile Bildschirme an Kabeln befestigt sind, die nach Wunsch arrangiert werden können. Bei 15 Step werden sie waagrecht ausgerichtet und bilden quasi eine flache Bühnendecke, die in weißem Neonlicht erstrahlt. Ansonsten formen sie verschiedene Muster in verschiedenen Höhen, leuchten in bunten Farben und Mustern oder bilden kleine Ausschnitte der Bühne ab. Es gibt keine Ganzkörperansichten, sondern Impressionen der Gesichter, Körper und Instrumente.

Musikalische Highlights

Musikalisch dominieren die letzten beiden Alben, wobei die Songs von In Rainbows, darunter eine wahnsinnig gute Interpretation von Weird Fishes, zu den Highlights gehören.

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Anders verhält es sich mit The King Of Limbs, auf dem Radiohead (oder Thom Yorke?) ihre Obsession mit Electronica und Grooves auf die Spitze getrieben haben. Die Einbindung in das übrige Konzert gelingt leidlich gut, da die Songs den Zuschauern die Möglichkeit geben, richtig abzugehen. Allerdings vermag das nicht darüber hinwegzutäuschen, dass die Qualität von Songs wie Feral oder Full Stop unter dem von Radiohead seit The Bends gewohnten Niveau bewegt.

Umso erfreulicher ist die schöne Version von The Daily Mail, eines Songs, der mit der englischen Boulevardpresse abrechnet, besonders natürlich mit der für ihre Sympathien mit dem Faschismus berüchtigten, xenophoben Zeitung, die gerne auch "The Daily Hate" genannt wird. Grandios ist außerdem Identikit, der eine bessere Balance zwischen Groove und Rockinhalten schlägt als die meisten Songs auf The King Of Limbs.

Die Zugaben

Für einen wirklichen Höhepunkt sorgt auch der grandiose Zugabenteil, der zunächst in einem natürlich begeistert umjubelten Paranoid Android kulminiert. Spätestens jetzt hält es auch viele Besucher auf den Rängen nicht mehr auf ihren Sitzen. Als es wieder losgeht, sorgen die Kid A-Songs How to Disappear Completely und Everything in Its Right Place mit ihrem introspektiven Sound für einen Stimmungswechsel. Fazinierend ist dabei das Intro von Disappear mit einem Zitat von The One I Love, einem Klassiker einer anderen großen Indie-Band von Weltrang: R.E.M.

Zum Abschluss rockt dann noch ein Lied die Halle, das auf der Platte fast etwas unscheinbar daherkommt, aber live immer mitreißt: Idioteque. Thom Yorke tanzt ekstatisch auf der Bühne, über die Zuschauer ergießt sich ein Gewitter aus Gitarren, Electronica und Neonlicht. Dann ist alles vorbei. Es war großartig.

Setlist Radiohead in Köln, 15.10.2012

Bloom | Lucky | 15 Step | Morning Mr. Magpie | The National Anthem | The Gloaming | Separator | Reckoner | Pyramid Song | These Are My Twisted Words | Nude | Identikit | Lotus Flower | There There | Feral | Bodysnatchers

Zugabe: Weird Fishes/Arpeggi | Ful Stop | The Daily Mail | Myxomatosis | Paranoid Android || How to Disappear Completely | Everything in Its Right Place || Idioteque

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