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David Gilmour (live in Wiesbaden, 2016) © Peter H. Bauer

Bei seinem epischen, dreistündigen Auftritt in Wiesbaden spielt David Gilmour eine exzellent zusammengestellte Auswahl von Pink Floyd-Klassikern und Solosongs - und überzeugt natürlich vor allem durch sein glänzendes Gitarrenspiel.

Da ist er – dieser faszinierende Gitarrenton, der die Werke von Pink Floyd einzigartig gemacht hat. Als er zum Auftakt seines restlos ausverkauften Konzerts auf dem Bowling Green in Wiesbaden seine Gitarre erklingen lässt, weiß jeder im Publikum, warum er gekommen ist.

Konzerte von David Gilmour sind vielleicht nicht ganz so gigantisch wie die Auftritte von Pink Floyd oder Roger Waters, aber es sind epische Events, die nicht mit bombastischen Inszenierungen zu überwältigen versuchen, sondern eine schlicht wirkende Eleganz besitzen.

Meister der Spannungsbögen

Zum herausragenden Ereignis macht die Konzerte auch die Tatsache, dass zwischen den Studioaufnahmen von David Gilmour und dem Charakter seiner Konzerte ein himmelweiter Unterschied besteht. Die Alben geraten gelegentlich ("Rattle That Lock") oder durchgehend ("The Endless River" – nur dem Namen nach ein Pink Floyd-Album) zu beschaulich und harmlos.

Live ist das anders. Mit seiner neu zusammengesetzten Band versteht es David Gilmour die grandiosen Spannungsbögen aufzubauen, die charakteristisch für das Werk von Pink Floyd sind. Epische Instrumentalpassagen steigern sich und steuern auf einen gewaltigen Höhepunkt zu, der die Zuschauer zu großem Jubel animiert.

Höhepunkt auf der Bühne

Der Jubel ist natürlich bei den Pink Floyd-Klassikern am größten. Den Höhepunkt des Abends bildet die Zugabe mit "Time->Breathe->Comfortably Numb" und der spektakulären Lichtshow zum Abschluss. Aber auch sonst hat der Abend einiges zu bieten, beispielsweise "Faces Of Stone", schön arrangiert mit Sopran-Sax und Akkordeon.

Bei "The Great Gig In The Sky" dürfen die drei Backgroundsänger/innen ihre stimmlichen Fähigkeiten voll auskosten, während Gilmour an der Pedal Steel Guitar glänzt. Die energetische Version von "Money", das Anti-Kriegslied "In Any Tongue" (glänzend illustriert durch eine Animation auf dem runden Bildschirm) und "High Hopes" sind weitere Höhepunkte des 1. Sets.

Stimmliche Steigerung

Im zweiten Sets sind es ebenfalls nicht nur die Pink Floyd-Klassiker, die begeistern. Selbstverständlich ist es eine Freude, Songs wie "One Of These Days" oder "Fat Old Sun" mit einem tollen Keyboard-Solo live zu hören, aber "On An Island" oder der Bar-Jazz von "The Girl In The Yellow Dress" geraten nicht minder überzeugend. "Sorrow" und "Run Like Hell" sorgen dann für einen spektakulären Abschluss vor der Zugabe.

Niemand besucht ein Konzert von David Gilmour wegen des Gesangs. Aber der Engländer hat sich im Verlauf der Tour stimmlich definitiv gesteigert. In Wiesbaden wirkt seine Stimme manchmal etwas brüchig und unflexibel, aber angenehm passend. Der Sound ist während des gesamten Konzerts geradezu sensationell – nicht zu laut, nicht zu leise und stets differenziert.

Bestuhlung sorgt für Ärger

Über die Bestuhlung (ein Wunsch des Künstlers?) kann man hingegen streiten. Wenn es damit endet, dass vor Begeisterung aufspringende Leute mit Papierkugeln beworfen werden und während der leisen Passagen von "Shine On You Crazy Diamond" irgendwelche Leute "Hinsetzen!" skandieren, dann läuft von Seiten dieser Zuschauer etwas total schief.

Jeff Tweedy von Wilco hat es bei einem Konzert in der Alten Oper in Frankfurt auf den Punkt gebracht, als er das Publikum zum Aufstehen animierte: "It's rock music. You feel it in your whole body". Und das Konzert von David Gilmour ist keineswegs so betulich, dass viele Zuschauer nicht gerne aufgestanden wären, aber sich nach diesen Vorfällen nicht trauen. Erst bei der Zugabe steht jeder. Dass sich das negativ auf die Stimmung auswirkt, ist klar. So beeinträchtigt deutsche Spießigkeit einen nahezu perfekten Konzertabend.

Setlist

5 A.M. / Rattle That Lock / Faces of Stone / What Do You Want From Me / The Blue / The Great Gig In The Sky / A Boat Lies Waiting / Wish You Were Here / Money / In Any Tongue / High Hopes

One of These Days / Shine On You Crazy Diamond / Fat Old Sun / Coming Back To Life / On an Island / The Girl In the Yellow Dress / Today / Sorrow / Run Like Hell // Time / Breathe (Reprise) / Comfortably Numb

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