Fabian Burstein

Fabian Burstein © MKB 2014 (Markus Biedermann)

Mit seiner Kündigung als Leiter des Jugendkulturzentrums Forum hat Fabian Burstein für einen Paukenschlag gesorgt. Wir sprachen mit ihm über seine Beweggründe und wagen einen Blick hinter die Kulissen der Musikstadt Mannheim jenseits der UNESCO City of Music-Herrlichkeit.

regioactive.de: Fabian, warum hast du zum 1. Juni 2015 als Leiter des Jugendkulturzentrums Forum gekündigt?

Fabian Burstein: Ich habe die Position des Leiters mit dem Anspruch angetreten, nicht nur Geld zu fordern, sondern ganz viele Aktionen aus eigener Kraft zu stemmen. Diese Bereitschaft des ganzen Teams, den Ausnahmezustand herbeizuführen, erfolgte natürlich mit einem Vertrauensvorschuss gegenüber der Stadtgesellschaft. Wir wollten aufzeigen, welche Möglichkeiten und Chancen es gibt und dann gemeinsam mit der Stadt an der Verbesserung der personellen und technischen Ausstattung des Jugendkulturzentrums Forum arbeiten, um Gewachsenes zu verstetigen.

regioactive.de: Das hat nicht funktioniert?

Fabian Burstein: Nein. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo die Erfolge belegbar waren, mit einem Drittel mehr Veranstaltungstagen und einem Auslastungsplus von fast 50%. Mittlerweile spielen pro Woche 70 Jugendliche bei uns Theater – unterstützt durch drittmittelfinanzierte Qualifizierungsangebote, die innerhalb kürzester Zeit in die ganze Mannheimer Szene hineinwirken werden. Die Kehrseite der Medaille ist: Das gesamte Team ist kräftemäßig am Anschlag, aufgrund des permanenten Improvisierens. Wir haben nicht einmal den Anspruch erhoben, zwingend mehr kommunale Mittel zu erhalten, sondern wir haben nach Möglichkeiten gesucht, neue institutionelle Förderungen zu erschließen. Für die Programmplanung stehen uns im Jahr gerade einmal rund 4.500 Euro zur Verfügung. Alles was darüber hinaus ging, war durch Drittmittel finanziert. Es ist nun mal nicht möglich, den Ausnahmezustand zum Dauerzustand zu machen.

regioactive.de: Wie sah dein Plan aus?

Fabian Burstein: Mein Plan war, dem Forum eine technische Grundausstattung zu verschaffen, die es einer Band erlaubt, von einem auf den anderen Tag zu spielen, das bedeutet im Klartext: Eine riderfähige Anlage müsste her. Das Forum muss außerdem eine Personalausstattung erhalten, die der wachsenden, freien, jungen Theater-Szene in unserem Haus gerecht wird und es muss einen Ansprechpartner für das Thema Popmusik geben, der Vollzeit für die jungen Bands da ist und die Szenen vernetzt, auch wertvolle Verbindungen zu ambitionierten Jung-Veranstaltern, zur Popakademie und zu anderen Institutionen mit kulturellem Bildungsanspruch pflegt.

regioactive.de: Wie sollte das finanziert werden?

Fabian Burstein: Mir war klar, dass die Stadt Mannheim allein die Mittel nicht stemmen wird wollen. Daher habe ich mich, wie schon meine Vorgängerin Karin Heinelt, dafür ausgesprochen, ernsthaft zu prüfen, ob man das Forum in ein soziokulturelles Zentrum verwandeln kann.

regioactive.de: Was ist ein soziokulturelles Zentrum?

Fabian Burstein: Es handelt sich um eine Einrichtungsform, die es ermöglicht, dass jeder Euro, den die Stadt für ein solches Zentrum ausgibt, mit zusätzlichen 50 Cent von Seiten des Landes Baden-Württemberg gefördert wird.

regioactive.de: Einfach so?

Fabian Burstein: Das ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Im Jahr 2012 gab es schon einmal von städtischer Seite eine sorgfältige Prüfung in Mannheim, welche Institutionen dafür geeignet wären – eine davon war das Forum. In der damaligen Vorlage für die politischen Entscheider steht explizit drin, dass das Forum programmatisch zu 100% den Förderrichtlinien eines soziokulturellen Zentrums entspricht, da wurde auch kein Widerspruch zur jugendkulturellen Ausrichtung gesehen! Die Bewerbung ist damals lediglich an zwei Formalismen gescheitert, die aber mit dem entsprechenden politischen Willen abänderbar sind.

regioactive.de: Welche Formalismen waren das?

Fabian Burstein: Um diese Förderung zu erhalten, hätte das Forum seine Zuschüsse aus dem Dezernat II (Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Kultur) erhalten müssen, aktuell erhält es diese aus dem Dezernat III (Bildung, Jugend, Gesundheit). Da hätte man eine Umschichtung anstreben müssen. Außerdem wäre es nötig gewesen, dass das Forum eine eigene Trägerschaft erhält. Wenn man diese Kriterien erfüllt, ist noch nicht sicher, dass das zuständige Gremium die Förderung bewilligt. Aber die Debatte zu tabuisieren, so wie das in den letzten Monaten versucht wurde, kommt einem irrationalen Maulkorberlass gleich, den ich nicht akzeptieren kann.

regioactive.de: Das Fehlen eines Liveclubs in Mannheim mit einer Kapazität von bis zu 500 Besuchern ist ein jahrzehntealtes Thema und wird vielfach beklagt, darunter auch von städtischen Verantwortlichen selbst. Wie haben die auf das Thema Soziokultur reagiert, das ja auch in puncto Club wertvolle Impulse bringen könnte?

Fabian Burstein: Die Spitze des für uns zuständigen Dezernats III, Dr. Ulrike Freundlieb, hat auf das Thema Soziokultur ungehalten reagiert. Sie hat darin offenbar einen Widerspruch zum Zielkorridor des Dezernats gesehen. Falls wir weiter darauf beharren würden, dieses Thema zu diskutieren, stand im Raum, "neue Kooperationspartner" für die bislang für das Jugendkulturzentrum Forum vorgesehenen Mittel zu suchen. Das ist eine ziemlich unverhohlene Drohung, die insofern auch bemerkenswert ist, als dass freie Trägerschaft wie ein Outsourcing-Modell mit weisungsgebundenen Dienstleistern behandelt wird. Deshalb denke ich, dass es bei unserem Problem nicht um eine bloße Meinungsverschiedenheit geht – hier geht es um eine politische Positionierung, die das fantastische Vielfalts-Modell Subsidiarität in Frage stellt. Da müssen ganz viele aufschreien!

Im zweiten Teil des Interviews spricht Fabian Burstein über Drohungen von politischer Seite, die Perspektiven des Forums nach seinem Rücktritt und seine Zukunftspläne.

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regioactive.de: Wenn man anregt, dass Mittel aus dem Dezernat III ins Dezernat II umgeschichtet werden, kann man sich vorstellen, dass damit ein Machtverlust verbunden ist. Politiker mögen es ja nicht, wenn man ihr Budget beschneidet.

Fabian Burstein: Das ist deine Interpretation, die ich absolut nachvollziehen kann. Ich muss aber auch betonen, dass es beim Forum – bei allem Selbstbewusstsein – nicht um gewaltige Mittel geht. Wenn wir diese Diskussion über das Nationaltheater führen würden, dann wäre das etwas anderes. Wir erhalten einen überschaubaren Zuschuss in Höhe von rund 300.000 Euro, der zum größten Teil für Fixkosten wie Personal, Verwaltung und Reparaturen draufgeht. Genau das verursacht ja den dauerhaften, untragbaren Ausnahmezustand. Ich finde schon, dass man gerade beim Zukunftsthema Jugend die politische Größe haben könnte, die Probleme offen zu benennen und zu diskutieren.

regioactive.de: Stattdessen wurde versucht, das Thema durch massiven Druck vom städtischen Diskurs fernzuhalten?

Fabian Burstein: Genau. Man kann sich denken, was das mit einem Haus macht, das die Aufgabe hat, neue, mutige Wege zu beschreiten. Uns wurde damit gedroht, Dinge in Gang zu setzen, die das Forum existentiell bedrohen könnten. Für mich ist das ein fatales Signal. Daher habe ich mich entschlossen, diesen radikalen Schnitt zu setzen.

regioactive.de: Wie ist diese Haltung eigentlich mit dem Anspruch der Stadt als UNESCO City of Music zu vereinbaren?

Fabian Burstein: Aus meiner Sicht: gar nicht. Ich finde, die Stadt sollte die Chance erkennen und nicht Kultur- und Jugendförderung gegeneinander ausspielen.

regioactive.de: Angenommen das Vorhaben wird erfolgreich umgesetzt, was wäre möglich?

Fabian Burstein: Mit den zusätzlichen Mitteln könnten wir unser Engagement für junge Bands massiv ausweiten, indem man beispielsweise die Viertel-Stelle von Rainer Döhring zur Betreuung der jungen Bands aufstockt. Und das wäre dringend nötig: Nachdem 2014 bei verschiedenen Veranstaltungen fast siebzig Nachwuchsbands im Forum gespielt haben, sind die Anfragen junger Bands regelrecht explodiert. Wir haben keinen Mitarbeiter, der sich voll auf Veranstaltungstechnik oder Veranstaltungsmanagement konzentrieren kann, da müssen stets externe Dienstleister mit ran. Indem wir zum Beispiel unser Café vermieten, erarbeiten wir uns weiteren ökonomischen Spielraum, um ebendiese Dienstleister und Zusatzequipment zu bezahlen. Unser wachsender Theaterbereich wirbt jegliche personelle Unterstützung über Förderer wie Stiftungen ein – auch hier wäre Entlastung ein wichtiger Schritt. Es ist ein unglaublich kräftezehrendes Ringen um das wundervolle Prinzip des Ermöglichens.

regioactive.de: Hattest du Gelegenheit mit OB Peter Kurz zu sprechen? Er ist ja als ehemaliger Kulturbürgermeister eigentlich ein Freund der Musikszene.

Fabian Burstein: Ich habe mit dem OB zu diesem Thema erstmals letzte Woche persönlich gesprochen. Ein direkter Draht war vor meinem Schritt schwer herstellbar. Wir wussten, dass ein solches Vorgehen negative Auswirkungen auf das weitere Verhältnis zur Dezernatsspitze gehabt hätte. Das wollten wir aus diplomatischen Gründen zunächst mal vermeiden. Ich sehe die Stadt ja nicht als Feind, sondern würde gerne Hand in Hand, auch mit dem für uns zuständigen Dezernat, planen und die Verwaltung auch immer wieder als Berater konsultieren. Im Jugendtheaterbereich hat eine derartige Zusammenarbeit mit dem Kulturamt auch ganz wunderbar funktioniert.

regioactive.de: Die verschiedenen Bereiche der Verwaltung ticken offensichtlich anders. Hast du so etwas schon einmal erlebt?

Fabian Burstein: In dieser extremen Form ist mir das noch nie begegnet.

regioactive.de: Vor welchen Perspektiven steht das Forum nach deiner Kündigung?

Fabian Burstein: Ich hoffe, dass es vor positiven Perspektiven steht. Das Team ist extrem gut eingespielt, ganz klar in seinen inhaltlichen Vorstellungen und erprobt im Improvisieren. Ich bin mir sicher, dass sie das Haus in diesem Geist weiter tragen werden und dass sich für die Szenen, egal ob es sich um Musik, Theater, Film oder andere Bereiche handelt, von der positiven Grundhaltung her nichts ändern wird. Vor allem hoffe ich, dass das Haus von einem neuen Problembewusstsein profitiert und die offenen strategischen, kommunikativen und finanziellen Fragen jetzt in der Stadt angegangen werden. Mannheim ist eine tolle Stadt, ich habe nach wie vor großes Grundvertrauen, dass hier vieles möglich ist.

regioactive.de: Zumal der finanzielle Aufwand vermutlich auch überschaubar wäre. Du hast ja nicht zehn Millionen Euro gefordert, um ein neues Jugendkulturzentrum auf dem Konversionsgelände zu bauen...

Fabian Burstein: Ich habe nur die Chance eingefordert, dass wir uns um vorhandene finanzielle Mittel des Landes bemühen. Die Soziokultur-Lösung wäre für die Stadt budgetneutral. Der finanzielle Aufwand wäre also gleich Null. Falls das scheitert, dann kann man immer noch weiter diskutieren.

regioactive.de: Ist überhaupt zu erwarten, dass ein Umdenken einsetzt, wenn der OB delegiert und die Dezernentin so widerwillig ist?

Fabian Burstein: Natürlich bin ich optimistisch. Warum sollte die Stadtspitze nicht erkennen, dass man Veränderungen vornehmen muss, selbst wenn einem das Problem zunächst unter dem Radar durchgerutscht ist? Das OB-Büro hat jetzt mal die Bereitschaft signalisiert, über dieses Thema sehr ernsthaft nachzudenken. Wenn das passiert, bin ich hoffnungsvoll, dass wir wieder eine positive Diskussionsebene erreichen können.

regioactive.de: Aber deine Entscheidung steht: Du machst auf keinen Fall weiter?

Fabian Burstein: Genau. Alles andere wäre unglaubwürdig und inkonsequent.

regioactive.de: Wie sehen deine Zukunftspläne aus?

Fabian Burstein: Ich werde meinen Garten herrichten. Der ist schon total verwildert. Aber ich bin gerne in Mannheim, vielleicht komme ich irgendwann wieder.

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