© Moritz Vogt

20 Jahre Time Warp - was könnte ein besserer Grund sein als Robin Ebinger, einen der Gründer der veranstaltenden Agentur Cosmopop zu befragen. Ein Gespräch über das Erfolgsgeheimnis der Time Warp, das ewig junge Publikum und das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Künstlern und Veranstaltern der Time Warp.

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regioactive.de: Wann bist du dann bei Time Warp eingestiegen?

Robin Ebinger: Steffen Charles und ich haben Cosmopop vor zehn Jahren gegründet, ich bin also seit zehn Jahren aktiv dabei. Davor waren wir Wettbewerber, ich hatte damals eine andere Partyreihe mit ins Leben gerufen. Dennoch waren wir schon immer freundschaftlich verbunden und ich habe bei der Time Warp immer mal wieder in unterschiedlichen Aufgaben mitgeholfen.

regioactive.de: Was hat sich im Vergleich zu damals am meisten verändert?

Robin Ebinger: Wir haben einen kompletten Paradigmenwechsel im Bereich Werbung. Wir richten die Time Warp in diesem Jahr ohne Schalten einer einzigen Anzeige aus. Wir machen nichts mehr im Print-Bereich, wir werden Flyer nur noch sehr selektiv verteilen.

regioactive.de: Wie sah das vor einigen Jahren aus?

Robin Ebinger: Früher haben wir diese flächendeckend über die verschiedenen Vertriebe verteilt. Das vollziehen wir jetzt nur noch gezielt, indem wir auf vereinzelte ausgewählte Veranstaltungen gehen, auf denen wir vermuten, unser Zielpublikum zu erreichen und drücken den Leuten dort die Flyer direkt in die Hand. Ansonsten gibt es keine Flyer-Verteiler mehr. Hauptsächlich agieren wir über unsere eigenen Online-Kanäle, da diese sehr präsent geworden sind, aber auch über andere Partner, wie z.B. regioactive.de. Radio bleibt ebenfalls ein wichtiges Medium für uns, vor allem diejenigen Sender, die viel elektronische Musik spielen oder sich an ein junges Publikum wenden.

"Fünfzig Prozent der Time-Warp-Besucher kommen aus dem Ausland"

regioactive.de: Täuscht der Eindruck, dass das Time Warp-Publikum immer internationaler wird?

Robin Ebinger: Das hat sich in der Tat stark gewandelt. Wir hatten zwar schon immer internationale Gäste aus dem europäischen Ausland, inzwischen ist die Veranstaltung aber viel internationaler geworden. Fünfzig Prozent unserer Gäste kommen nicht aus Deutschland, teilweise sogar aus Dubai, Japan oder Kanada. Die Time Warp ist besonders international, weil wir dort als großer Treffpunkt der Szene und gleichzeitig als Auftakt der Festivalsaison wahrgenommen werden. Das Paradoxe daran ist nur, dass die Veranstaltung indoor stattfindet. Der Ruf als Treffpunkt macht die Time Warp auch so interessant.

regioactive.de: Die Mobilität der Zuschauer hat sich auch erhöht, oder?

Robin Ebinger: Im Bereich der elektronischen Musik, aber auch im Indie-Rock auf jeden Fall. Sie fliegen durch ganz Europa, um Festivals zu besuchen. Dieses Abenteuer-Suchen ist als antizyklische Bewegung zu dem Sich-Verlieren in digitalen Welten zu verstehen. Diese Leute suchen das Live-Erlebnis und den Austausch vor Ort und können es sich aufgrund der Billigflieger auch leisten, nach Kroatien oder Frankreich zu fliegen.

"Die Electro-Szene ist noch enger vernetzt als andere Szenen"

regioactive.de: Du würdest aber nicht sagen, dass die Reisefreudigkeit eine besondere Eigenschaft der Techno-bzw. Electro-Szene ist. Oder doch?

Robin Ebinger: Mein Gefühl ist, dass die Electro-Szene noch vernetzter, innovationsfreudiger und trend-orientierter ist als alle anderen Szenen. Beispielsweise konnte ich aus Google-Analytics herauslesen, dass die meisten Mobile-Zugriffe auf unsere Website von iPhones stammen. iPhone-Besitzer werden in der Regel als trendbewusst angesehen als andere Handybenutzer. Ich sehe das auch selbst, wenn ich beruflich und privat auf internationalen Festivals bin, dass die Leute sehr mobil sind und sich auch untereinander kennen. Dieses Phänomen kenne ich so von anderen Szenen nicht.

Im zweiten Teil diskutieren wir die Frage, ob die Techno-Szene nicht doch konservativ ist und sprechen über die Revelanz der Techno-Pioniere für das heutige Publikum.

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regioactive.de: Jetzt kommen wir zu einem Paradoxon: Einerseits hast du gesagt, dass die Szene sehr mobil, sehr technikaffin und gut vernetzt ist. Wenn man sich allerdings euer Lineup anschaut, sind da durchaus Acts dabei, die schon 1995 dabei waren, wie Richie Hawtin oder Sven Väth. Daher könnte man fragen, ob die Techno-Szene nicht doch konservativ ist?

"Die Pioniere der Techno-Szene erfinden sich immer wieder neu"

Robin Ebinger: Ganz und gar nicht. Es gibt zwei Ebenen der Betrachtungsweise. Zum einen erfinden sich die Pioniere der elektronischen Musik ja immer wieder neu. Nimm beispielsweise einen Richie Hawtin. Dieser ist immer noch impulsgebend für die ganz Jungen und für eine Vielzahl an Künstlern. Er hat verschiedene Produktions-Egos: Plastikman war sein großes Ding, mit dem er sich schließlich neu erfunden hat. Seine neue Plastikman-Show feierte 2010 auf der Time Warp Weltpremiere. Die Show hat er mit Disney- und anderen Trickfilmspezialisten konzipiert und später Video und Sound in seiner Performance zusammenfließen lassen. Somit hat er im Rahmen der Time Warp eine riesige Multimedia-Show entwickelt, mit der er auf der ganzen Welt auf Tour gegangen ist. Sven Väth ist ebenso jemand, der sich immer wieder neu erfindet. Man denke nur an seine jährliche Partyreihe auf Ibiza

regioactive.de: Mit anderen Worten: Ist der Blick auf das Line-Up irreführend bzw. ergibt er kein vollständiges Bild, weil die Acts so viel Neues mitbringen?

Robin Ebinger: Das ist eine Frage der Relevanz. Zum einen haben wir die Leute, die seit Jahren für die Time Warp stehen und deren Verhältnis zu uns aus gegenseitigem Vertrauen aufgebaut ist. Sie erfinden sich immer wieder neu und sind sehr relevant, besonders für die jungen Leute. Wieso sollten wir zum 20-jährigen Jubiläum etwas anderes machen? Die zweite Ebene ist: Wir bringen jedes Jahr sehr viele neue Acts, die ab und zu in der Wahrnehmung untergehen. Bei uns hat auch schon ein David Guetta gespielt, bevor er zum Weltstar wurde. Ich könnte noch viel mehr Beispiele nennen. Das heißt, wir haben vielen Künstlern, allerdings nicht David Guetta, der hatte das nicht nötig, ein Sprungbrett geboten. Wir versuchen immer eine Mischung aus großen internationalen Stars, die unsere Fahnenträger sind und seit 20 Jahren für uns spielen, aber auch vielen jungen Leuten hinzubekommen.

"Wir haben viel Zeit und Geld in Technik und Bühnenshows investiert"

regioactive.de: Die Art und Weise der Präsentation verändert sich ja auch.

Robin Ebinger: Richtig. Die Besucher, die in den letzten Jahren auf der Time Warp waren, werden bemerkt haben, dass wir inzwischen sehr viel Zeit und Geld in die Technik und in die Bühnenshows vor Ort investieren. Wir haben mittlerweile auch unsere großen Floors, wir nennen sie Signature-Floors, die wir in andere Länder transportieren, sogenannte "Full-Floor-Konzepte". Dabei hängen nicht mehr nur drei Lampen über dem DJ, sondern wir begreifen inzwischen den kompletten Floor als Erlebniswelt und verlegen die Deko von der Bühne zurück in den ganzen Floor oder umgekehrt. Man hat ein Full-Floor-Konzept, das sich logisch in einer Bühnennummer auflöst.

regioactive.de: Welche besonderen Highlights möchtest du hervorheben?

Robin Ebinger: Unser größter Erfolg, der auch dieses Jahr zum Zwanzigjährigen seine Fortsetzung finden wird, ist die Eishöhle, die wir zusammen mit Atelier Kontrast konzipiert haben. Hierbei wurden – vereinfacht ausgedrückt – 50 riesengroße Betttücher aus speziellem Stoff in eine Eishöhlenform geschnitten und in der Optik einer Tropfsteinhöhle heruntergehängt. Um eine spezielle Raumtiefe zu erzeugen, wurden sie noch zusätzlich gewölbt. Jede dieser Bahnen hat eigene LDs und Videobespielung erhalten. So war es möglich, den Raum von einem Moment zum anderen in völlig andere Lichtstimmung zu versetzen und die Bahnen unabhängig voneinander anzusteuern. Dafür steht die Time Warp: Wir versuchen, einen Schritt weiter zu gehen und dieses Gasterlebnis ganz speziell heraus zu arbeiten.

"Der Zeitplan der DJs ist viel dichter geworden"

regioactive.de: Eine der großen Veränderungen in den letzten 20 Jahren ist doch sicherlich die Änderung des technischen Aufwandes und der Präsentation der DJs?

Robin Ebinger: Genau. Viele der großen DJs führen heutzutage Tourbegleiter mit, die das komplette, teilweise sehr komplexe Setup aufbauen, was es früher nur vereinzelt gab. Vor allem ist aber der Zeitplan der DJs ist viel dichter geworden. Früher haben sie ein- oder zweimal in der Woche aufgelegt, in den heutigen Sommersaisons spielen sie fünf oder sechs Mal. Man muss bedenken: Die DJs spielen die ganze Nacht durch und fliegen danach in ein anderes Land. Das ist nicht nur Champagner-Trinken, sondern auch harte Arbeit.

Lest im dritten Teil über die Kunst sich für ein junges Publikum immer wieder neu zu erfinden und das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Künstlern und Veranstaltern.

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regioactive.de: Wenn diese neuen Computeranimationen – so toll sie auch sind – mal nicht wie geplant funktionieren, können sicher auch mal unangenehme Wortwechsel folgen ?

Robin Ebinger: Das kann alles vorkommen. Viele haben nicht nur Tourmanager dabei, sondern auch eigene Angestellte für Ton, Licht und Video, die mit auf Tour gehen, um die Qualität des Künstlers und die Show, die dieser konzipiert hat, zu gewährleisten.

"Die Künstler vertrauen uns, weil sie ideale Arbeitsbedingungen vorfinden"

regioactive.de: Ihr habt es in 20 Jahren geschafft, Time Warp als Marke zu etablieren, nicht nur für die Besucher, sondern auch für die Künstler. Was sind die Gründe für diesen Erfolg?

Robin Ebinger: Wir versuchen nicht nur unseren Gästen immer den bestmöglichen Raum zu schaffen, sondern wir bieten auch unseren Künstlern eine tolle Plattform. Die Künstler wissen, dass wir bei der Qualität des Tons und des Lichts und bei der Erfüllung der Wünsche des Künstlers keine Kompromisse eingehen. Wenn ein Künstler um ein bestimmtes Mischpult oder einen bestimmten Mixer bittet, bekommt er das auch. Er bekommt auch ein entsprechendes Monitoring. Die Künstler wissen auch, dass diese Veranstaltung im internationalen Bereich inzwischen eine impulsgebende Plattform geworden ist. Sie zeigen sich gerne und stellen auch neue Dinge vor.

regioactive.de: Mit anderen Worten: Zwischen euch als Veranstaltern und den Künstlern herrscht gegenseitiges Vertrauen?

Robin Ebinger: Richtig. Die Künstler vertrauen uns, weil wir für sie ideale Arbeitsbedingungen schaffen. Viele Acts, die an der Time Warp nicht spielen, nehmen sich an dem Wochenende frei, um dort hinzukommen. Man kann dort unheimlich viele Artists und DJs treffen, die einfach nur anwesend sind, weil sie wissen, dass die ganze Szene in einer tollen Atmosphäre vertreten ist. Das macht es wiederum für den spielenden Künstler so besonders, weil er weiß: It‘s a place to be.

"Der Time Warp gelingt es, sich immer wieder neu zu erfinden"

regioactive.de: Das Interessante ist ja auch: Viele Künstler sind mit Ausnahme der Änderung des Programms konstant, aber das Publikum ist nicht jenes von damals, es besteht aus sehr jungen Leuten. Diese "alten Hasen" und die Time Warp haben es immer wieder geschafft, jung zu bleiben.

Robin Ebinger: Ebenso wie die Künstler gelingt es auch uns, für eine jüngere Zielgruppe relevant zu bleiben. Wir haben ein sehr junges Team; ich selbst zähle nicht zu unserer Zielgruppe. Ich bin 40, während die Leute, die die Time Warp besuchen im Schnitt 22 bis 23 Jahre sind. Allerdings haben wir auch sehr viele loyale Fans, die uns seit Jahren begleiten. Aber den größten Trieb auszugehen, hat man nun mal mit 18 oder 20 bis Ende 30. Dass uns gelingt, dieses Publikum immer wieder zu überzeugen, zeigt, dass es die Time Warp geschafft hat, sich immer wieder neu zu erfinden und frisch zu erhalten für die junge Generation.

regioactive.de: Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Jubiläumsausgabe des Time Warp!

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